Jutta Treiber wurde am 10. Januar 1949 in Oberpullendorf geboren. Nach dem Studium der Germanistik und Anglistik in Wien unterrichtete sie am Gymnasium in Oberpullendorf und arbeitete nebenbei immer auch im familieneigenen Kino mit. Zusätzlich gab sie auch Kurse in Jazztanz und Bühnenspiel. Für ihre erste Kurzgeschichte gewann sie 1976 den BEWAG - Literaturpreis. Danach versuchte sie sich in verschiedenen Genres: Kurzprosa, Lyrik, Hörspiele, Kabarettprogramme, Kurzfilme. Seit 1988 ist sie freiberufliche Autorin. Sie schreibt für Menschen jeden Alters und hat bisher 47 Bücher publiziert, die vielfach ausgezeichnet wurden. Ihr Werk umfasst sowohl Kinder- und Jugendbücher als auch Lyrik, Kurzprosa und Romane für Erwachsene. Ihre Bücher wurden in bisher 23 Sprachen übersetzt, und in mehr als 20 Ländern Europas und Asiens hat Jutta Treiber bis heute fast 3000 Lesungen gehalten. Zuletzt erschienen (Auswahl): Die Wörter fliegen (Residenz, 2014), Fridolin wird unsichtbar (Obelisk, 2014), Klapper, Klapper, Storchengeplapper (edition marlit, 2014), Liebestrommeln. Eine Kur-Schmonzette (edition lex liszt 12, 2012), Fiona Fee hat keine Zeit (Obelisk, 2012), Knaxi-Fisch-Bücher 1-9 (edition lex liszt 12, 2011/2012).
Burgenland
Nein, da ist nicht nur Tiefebene
nicht nur Seewinkel, Zicklacke
Naturpark, Storch und Reiher
und Ziehbrunnen romantisch
Mittendrin.
Du fremder Reisender
der du das Land betrittst
glaub nicht an das
Klischee vom Bügelbrett
das dir die Kataloge
zeigen.
Es gibt
den großen seichten See
das Meer der Segler Wiener Surfer
und Schilf
durch das man sich
im Boot fortträumen kann
und Ebene
so weit
das Auge sieht
doch gibt es
mehr.
Besuch die trotzgen Burgen
schmucken Schlösser
lustwandle
durch den Schlosspark
von Halbturn
spür Esterházy nach
in Eisenstadt.
Fahr über den Margrethner Berg
wenn du dem See dich näherst
und an dem höchsten Punkt
bevor du links zum Steinbruch wendest
Naturkulisse opernhaft
halt inne und du siehst
das Silberband des Sees
vor dir schimmern
dann fahr hinunter
kehre ein
in eins der Schenkhäuser
der Freistadt Rust.
Dies ist das Land des Windgotts
sei gewarnt
er singt zuerst ein Lied
in Segelmasten
bevor er Anlauf nimmt
gerate nicht in einen Sturm am See
sei nicht am Boot
wenn es dem Gott beliebt
sein tolles Spiel zu treiben.
Gleite über den See im Winter
wenn er sich kalt und spröd
mit Eis bedeckt
glatt oder faltig rau
je nach dem Spiel des Windes
ein milder Nebelschleier
dämpft das Licht
Vögel bizarr und schwarz
Tuschzeichnungen am Himmel
schau dass du deinen Fixpunkt
am Ufer
nicht verlierst.
Fahr über den Sieggrabner
und schau hinein
ins Pullendorfer Becken
schau auf die Hügel
auf die kleinen Dörfer
höre dem Géza und dem Pistabácsi zu
wenn sie auf ihrer Geige spielen
jaj istenem, nicht immer richtig
geh in die Therme und genieß das Wasser
das wärmend sprudelt Lebensquelle pur.
Schau auf die Felder
gelb und grüne Flecken
blick auf die Wiesen
manche aus Beton
denn Einkaufsstädte wuchern
um die Städte
Kirche Hauptplatz Brunnen
Kika Hofer Billa
im Schilderwald verirrt man sich zuweilen
Big Donald kreuzt inzwischen deinen Weg.
Wende dich ab
suche die Stille
fahr auf den Csaterberg
geh durch die Kellergassen
trink Uhudler und lasse
dich berauschen
genieß die Freundlichkeit
der Menschen an der Grenze
hör wenn du durchfährst
ihre vielen Sprachen.
Es ist ein gutes Land
trotz Wiesen aus Beton
und Schilderwald
ein gutes Land.
Noch ...
Nachsatz
Erst wenn das letzte Dorfwirtshaus
der letzte kleine Greißler
die letzte Schule
und das letzte alte Kino
gestorben sein wird
die letzte grüne Wiese
von Gigamärkten
und Megaplexxen
EU gefördert
überwuchert sein wird
und die Politiker
mit breitem Grinsen
und sich selbst
auf die Schulter klopfend
die Eröffnungen
zelebrieren werden
unter großem Medienspektakel
versteht sich
wenn die letzte Dorflinde gefällt
und der letzte Jugendliche
aus seinem vergreisten Pflegedorf
geflüchtet sein wird
das Land kein Fleckerlteppich mehr
sondern eine Einheitswüste
dann werden die Verantwortlichen
vielleicht
noch immer nicht
einsehen
dass Leichen
nicht mehr auferstehen
und man Beton
nicht fressen kann.
Aus dem Buch:
Kurztexte aus 30 Jahren
© edition lex liszt 12, 2008
(2. Aufl. 2010)