gertrud zelger-alten
© Hans Wetzelsdorfer
Gertrud Zelger-Alten wurde am 27. Februar 1922 in St. Georgen an der Leys (Niederösterreich) geboren. Sie machte eine Ausbildung als Zahntechnikerin und arbeitete als Schulhelferin und in der Landwirtschaft. Nachdem sie eine Lehrbefähigungsprüfung in Englisch abgelegt hatte, wurde sie Erzieherin. 1948 heiratete sie Dr. Peter Alten und zog nach Deutschkreutz und dann nach Neckenmarkt im Burgenland (Bezirk Oberpullendorf), wo sie auch jetzt noch lebt. Seit ihrer Kindheit schreibt sie Gedichte. Heute bevorzugt sie Kurzgeschichten, ihre eigentliche Domäne aber blieb die Lyrik. Als Leiterin der Laienspielgruppe Neckenmarkt schrieb sie auch mundartliche Spieltexte.
Gertrud Zelger-Alten wurde u.a. mit dem Ehrenkreuz des Landes Burgenland, dem Lyrikpreis des Burgenlandes, der Silbernen Max-Mell-Medaille und einem Würdigungs-Preis der Kery-Stiftung ausgezeichnet. Sie ist Mitglied des Österreichischen PEN-Clubs, und des Österreichischen SchriftstellerInnenverbandes. Veröffentlichungen (Auswahl): Wie ein Ackerland ist meine Seele (Europäischer Verlag, 1967), Mein Herbst ist leer (Edition Rötzer, 1986), Feldwege (Edition Rötzer, 1992), Das Brot der armen Leute (edition lex liszt 12, 1996), Gelber Nachtschatten - Das Tagebuch der Marthe Berg (edition lex liszt 12, 1999), Auf einer Brücke stehen (edition lex liszt 12, 2003), Briefe an Anette (edition lex liszt 12, 2002), Seltsame Tage (edition lex liszt 12, 2005), CD/Hörbuch "Ich liebe die Worte, die klar sind und schlicht" (edition lex liszt 12, 2009).

Seltsame Tage 

 
(Auszüge)
 
 
Seltsame Tage. 
Der Himmel farblos, 
nicht Sonne, nicht Wolken, 
kein Vogelflügel, 
kein Wind. 
Die Bäume reglos im Garten. 
Die Häuser im Dorf ohne Leben. 
Die Straßen leer, ohne Menschen. 
Seltsamer Tag. 
Es scheint alles zu warten. 
Aber niemand kommt. 
 
*** 
 
Fernweh
 
Wurzelverhaftet 
mit der Sehnsucht nach Sonne 
im Nebel stehen. 
 
 
*** 
 
Ich bin oft über die Felder gegangen 
mit schwerem Herzen. 
Ich bin in den Wäldern gewesen 
mit meinen Fragen. 
Ich bin in den Kirchen gekniet 
mit meinen Bitten. 
Einmal doch, ehe ich sterbe, 
möchte ich dorthin finden, 
wo Friede ist.
 
 
Sonntagmorgen
 
Kalt ist die Morgenfrühe.
Am Himmel verblasst der Mond.
Noch regt sich nichts auf Erden.
Nur eine alte Frau
Geht mühsam ihren Weg zur Messe,
lang, eh die Glocken läuten,
tut auf das schwere Kirchentor,
tritt ein ins menschenleere Dämmerlicht,
besprengt die Stirn mit dem geweihten Wasser,
und findet endlich sich
in ihrem Stuhl zufrieden und geborgen.
Sie schlingt den Rosenkranz um ihre Finger
und neigt das Haupt.
Sie merkt nicht,
dass der erste Rosenschimmer des Tages
aus dem bemalten Fenster fällt
und ihr über das Kopftuch streicht,
wie eine segnende Hand. 
 
****
 
Der Engel spricht
 
Es ist genug.
Leg deine Trauer ab
und deine Angst.
Vergrabe deinen Kummer.
Forme deine leeren Hände
zu einer Schale
und halte sie zum Himmel.
Habe Vertrauen 
und glaube,
sie wird gefüllt werden,
und du wirst
Freude trinken. 
 
****
 
Morgenrot
 
Als ich erwachte, brannte der Himmel.
Rote Glut waberte hinter dem Wald.
Ab und zu loderte eine Flamme auf in die Nacht,
die nicht weichen wollte.
Ganz oben
hing noch die Mondsichel,
bleich und vergessen.
Mein Herz pochte angstvoll,
meine Hände verkrampften sich.
Soll alles zu Asche werden,
Asche zu Asche und Staub zu Staub,
soll alle Schönheit vergehen?
Lass es nicht zu, dieses Ende der Welt,
lass es nicht zu!
Da begann die Amsel zu singen vor dem Fenster,
und aus dem Feuer erhob sich der Sonnenball
groß in den Tag.
Du kleinmütiger Mensch,
sagte der Engel und rührte mich an,
schau, welch ein neuer, 
wunderbarer Morgen!

 

Aus dem Buch: 
Gedichte und Geschichten 
© edition lex liszt 12, 2005

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