Bernhard Strobel wurde 1982 in Wien geboren. Er studierte Skandinavistik an der Universität Wien. Heute lebt er als freier Autor und Übersetzer aus dem Norwegischen in Neusiedl am See. Zu seinen Auszeichnungen zählen der Literaturpreis des Landes Burgenland 2003, das Staatsstipendium für Literatur 2007 und 2009 sowie der Förderpreis der Stadt Wien 2014.
Bücher: Sackgasse, Erzählungen (Droschl, 2007), Nichts, nichts, Erzählungen (Droschl, 2010), Ein dünner Faden, Erzählungen (Droschl, 2015).
Übersetzungen: Bjarte Breiteig Von nun an (Luftschacht, 2010) sowie Phantomschmerzen (Luftschacht, 2013), Tor Ulven Dunkelheit am Ende des Tunnels (Droschl, 2012) sowie Das allgemein Unmenschliche (Droschl, 2014).
Das ist alles, mehr kommt nicht
(Auszug )
Es genügt, durch ein kleines Fenster einen Blick hinauszuwerfen in die Welt: ein Komposthaufen. All die Verwesenden und Verwesten, die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Toten, Erde zu Erde, das ist ein gutes Bild, meiner Meinung nach.
Ich sitze im fünften Stock des Krankenhauses mit guter Sicht auf den Friedhof unseres kleinen Heimatstädtchens. Die Perspektive drängt einem den Vergleich buchstäblich auf. Ich habe sogar mein altes Fernglas reparieren lassen, um besser sehen zu können. Es gibt ein hübsches freies Plätzchen zwischen dem Grab meines Urgroßvaters und einer Art ausuferndem Mausoleum, das gewiss einen zutiefst widerwärtigen Landesrat oder anderen Wichtigtuer beherbergt.
Es ist ein schattiger Winkel, die Vormittagssonne wird von einer hohen Kastanie geschluckt, und am Nachmittag wirft das benachbarte Grabmal weiche, dunkle Konturen auf das Fleckchen Erde meiner Wahl. Das scheint mir kein Nachteil zu sein. Ich habe mein ganzes Leben gewissermaßen auf der Schattenseite verbracht, weshalb sollte ich ausgerechnet die Freuden des Nichtdaseins in der prallen Sonne genießen?
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Aus dem Buch:
Erzählungen
© Literaturverlag Droschl, 2015