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© Birgit Machtinger

Eva Schreiber geb. 1962, lebt in Winden am See. Sie studierte Publizistik und Politikwissenschaft und war Pressereferentin und Konsumentenschützerin in den Arbeiterkammern NÖ und Burgenland. Seit 2018 ist Eva Schreiber freie Autorin. Erste Veröffentlichungen waren 2017 Nobody saw me writing this über die Künstlerin Fria Elfen (ORF Burgenland) sowie die Kurzgeschichte Leermeldung (Shortlist Ö1-Literaturwettbewerb 2017). Mit Trude und Amalie gewann sie 2019 den Literaturpreis der Energie Burgenland. Für die Lockdown-Miniaturen erhielt sie 2021 ein Arbeitsstipendium des Landes Burgenland. Ihre erste Buchveröffentlichung Eine Ahnung vom Ende des Glücks wurde 2022 mit dem Kery-Preis ausgezeichnet.

Noras Cousine

(Auszug)

Heri kann nicht schlafen. Seit Jahren kann er nicht schlafen. Nach den Abendnachrichten verfeinert er den Tabak mit Eigenbaugras und dreht vier Zigaretten. Drei legt er in das hübsche silberne Etui, eine zündet er an. Heri legt sich auf den Rücken und bläst den Rauch gegen die Zimmerdecke und wartet auf den Schlaf.
Um Mitternacht geht er das erste Mal zum Kühlschrank. Er schneidet ein ordentliches Stück von der Extrawurst, den Senf drückt er aus der Tube direkt auf die Wurst. Heri isst immer im Stehen. Wenn er fertig ist, räumt er alles weg. Er legt sich wieder hin und raucht. Irgendwann schläft er ein. Um halb 2 steht er wieder beim Kühlschrank und dann um vier.
Dass er trotz der nächtlichen Extrawurstanfälle nicht fett wird, liegt daran, dass er tagsüber kaum zum Essen kommt. Seit er im Homeoffice arbeitet, fällt auch das Mittagessen mit den IT-Kollegen in der Kantine weg. Tagsüber lebt Heri jetzt von Käsebroten, nachts von Extrawurst. Manchmal wundert er sich selbst, dann man mit so wenig Schlaf auskommen kann.
Als er im Radio zufällig hört, dass Schlafstörungen über einen längeren Zeitraum zu einer drastischen Verkürzung der Lebenszeit und frühzeitiger Demenz führen können, geht er zu seinem Hausarzt. Der überweist ihn zum Internisten und der schickt ihn ins Schlaflabor. Die Wartezeit auf einen Platz im Schlaflabor beträgt zweieinhalb Monate. Offenbar ist er nicht der einzige, der nicht schlafen kann. Manche werden aber auch von ihren Frauen ins Schlaflabor geschickt, weil sie die Atemaussetzer ihrer Ehemänner nicht mehr ertragen können. Das erfährt Heri von Gernot. Gernot ist der junge Mann, der Heri gegen 10 die Elektroden auf den Kopf klebt und das Kästchen um den Oberkörper schnallt.
„Wenn die Frauen dann sagen, Schlaflabor oder Scheidung, gehen die Männer ins Schlaflabor. In ein anderes Zimmer zum Schlafen gehen sie nicht“, sagt Gernot.

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