Bea Schmiedl wurde 2000 geboren und verbrachte ihre Kindheit im Mittelburgenland. Sie studiert seit 2018 Deutsche Philologie an der Universität Wien. Als Autorin erprobt sie die Vielfalt der unterschiedlichen Textsorten.
2017 kam sie in das Finale bei Texte.Wien, 2018 war ein Künstlerporträt über sie bei Radio Burgenland Extra – Kunst und Kultur zu hören, 2018 erhielt ihr Text Sing mir das Lied vom Frieden, aber ohne Worte bei dem Wettbewerb „Goldenes Kleeblatt gegen Gewalt“ den ersten Preis und kurz darauf war sie Interview-Gast als junge burgenländische Autorin im Gesellschaftsmagazin „Die Burgenländerin“. Instagram: © beaschmiedl
Dark nebula syndrome
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Wenn Tao Klavier spielt, dann ist er die Tasten, der schwerschwarze Lack und die strömenden Töne. Dieses Gefühl der Statik, des Verbundenseins, erlebt er nur in diesen seltenen Momenten in Bratislava. Vielleicht kommt er ja wirklich nur deswegen. Und nicht wegen ihr. Wie beichtet man? Er liebt sie nicht. Ganz einfach. Ausgesprochen haben diese Worte etwas Schneidendes, Kantiges. Sie schnitt sich daran und er wurde rausgeschmissen. Tao war, seltsamerweise, leichter. Er schwebte durch die alten Gassen. Er hat die Wahrheit gesagt. Niemand kann ihn dafür verfluchen, das wusste er und das wusste sie.
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Wien war umkreisend, lauter als sonst. Er ging nie gerne hinein, in das Geschehen, aber irgendetwas, dieser verfluchte Piepston in einem drin, prügelte auf ihn ein, stadteinwärts zu gehen. Er war im Stadtpark. Er hasste das Graue, das Blattlose. Trotzdem ging er den Teich entlang, Runde für Runde tauschte er Blicke mit Entenpaaren aus. Nicht daran denken Tao, nicht an sie denken. Er sog sie ein, die kühlende Splitterluft des Dezemberabends. Er roch nichts. Kein Blütenduft, nur das Nichts.
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Sie war beschwipst, unverkennbar. Sie ging, stolperte eher, den Kiesweg entlang. Tao sah sie schon von Weitem. Als sie auf gleicher Höhe waren, überkam es beide. „Scheiße“, dachte er. „Sowas kann es nur im Filmischen geben. Nicht hier. Nicht jetzt hier im Stadtpark, nicht in meinem altlöchrigen Lodenmantel. Scheiße.“
Sie war nüchtern. Blitzartig, als würde etwas Höheres ihre Gehirnaktivität wieder ankurbeln. Sie sagten nichts. Es waren fünf Minuten vergangen. Nur Blicke. Sonst nichts. Als er sich öffnen wollte, um zu sprechen, hob sie die Hand, legte ihren linken Zeigefinger auf seine vollen Lippen und schüttelte ihre Kurzhaarfrisur. „Scheiße“, dachte sie. „Ich muss zu ihm, er muss zu mir, wir müssen uns vereinen. Scheiße.“
Er nahm sie bei der Hand, ohne Blick zurück. Wie der stygische Zeus es Orpheus befahl. „Ich werde sie nicht in das Schattenreich zurückgleiten lassen, meine Schlangengebissene“, sagt er sich. Er drehte sich kein einziges Mal um. Sie verstand. Bat ihn die Steine zu erweichen, mit seiner Stimme. Er verstand. „Das ist sie“, dachte er.
aus dem Buch:
Junge Literatur Burgenland
Sanja Abramović - Raoul Eisele - Bea Schmiedl - Daniel Stögerer
Band 4
Hg.: © edition lex liszt 12, 2020