Seltsame Tage
(Auszüge)
Seltsame Tage.
Der Himmel farblos,
nicht Sonne, nicht Wolken,
kein Vogelflügel,
kein Wind.
Die Bäume reglos im Garten.
Die Häuser im Dorf ohne Leben.
Die Straßen leer, ohne Menschen.
Seltsamer Tag.
Es scheint alles zu warten.
Aber niemand kommt.
***
Fernweh
Wurzelverhaftet
mit der Sehnsucht nach Sonne
im Nebel stehen.
***
Ich bin oft über die Felder gegangen
mit schwerem Herzen.
Ich bin in den Wäldern gewesen
mit meinen Fragen.
Ich bin in den Kirchen gekniet
mit meinen Bitten.
Einmal doch, ehe ich sterbe,
möchte ich dorthin finden,
wo Friede ist.
Sonntagmorgen
Kalt ist die Morgenfrühe.
Am Himmel verblasst der Mond.
Noch regt sich nichts auf Erden.
Nur eine alte Frau
Geht mühsam ihren Weg zur Messe,
lang, eh die Glocken läuten,
tut auf das schwere Kirchentor,
tritt ein ins menschenleere Dämmerlicht,
besprengt die Stirn mit dem geweihten Wasser,
und findet endlich sich
in ihrem Stuhl zufrieden und geborgen.
Sie schlingt den Rosenkranz um ihre Finger
und neigt das Haupt.
Sie merkt nicht,
dass der erste Rosenschimmer des Tages
aus dem bemalten Fenster fällt
und ihr über das Kopftuch streicht,
wie eine segnende Hand.
****
Der Engel spricht
Es ist genug.
Leg deine Trauer ab
und deine Angst.
Vergrabe deinen Kummer.
Forme deine leeren Hände
zu einer Schale
und halte sie zum Himmel.
Habe Vertrauen
und glaube,
sie wird gefüllt werden,
und du wirst
Freude trinken.
****
Morgenrot
Als ich erwachte, brannte der Himmel.
Rote Glut waberte hinter dem Wald.
Ab und zu loderte eine Flamme auf in die Nacht,
die nicht weichen wollte.
Ganz oben
hing noch die Mondsichel,
bleich und vergessen.
Mein Herz pochte angstvoll,
meine Hände verkrampften sich.
Soll alles zu Asche werden,
Asche zu Asche und Staub zu Staub,
soll alle Schönheit vergehen?
Lass es nicht zu, dieses Ende der Welt,
lass es nicht zu!
Da begann die Amsel zu singen vor dem Fenster,
und aus dem Feuer erhob sich der Sonnenball
groß in den Tag.
Du kleinmütiger Mensch,
sagte der Engel und rührte mich an,
schau, welch ein neuer,
wunderbarer Morgen!
Aus dem Buch:
Gedichte und Geschichten
© edition lex liszt 12, 2005