
Hörprobe
Hologrammatik ![stumpf die hand im mund]()
Worte machen Bilder.
Sätze sind Städte,
Lettern die Menschen.
Geschichten erzählen die Raum-Zeit-Welt.
Am Anfang war das unbeschriebene Blatt,
bedeckend die Blöße der Muse Kalliope.
Der Dichter sät Buchstaben in das brache Feld
und gießt sie mit seinem Geist:
zarte Triebe hochgepäppelt und wieder
zurückgestutzt.
Texte müssen leiden wie Bonsais,
wie Poeten, wie Programmierer.
Aus Stilblüten wird ein Rosengarten,
manchmal Orchideen.
Schreib, ohne ein Bild zu sehen!
Lies, ohne dass Bilder entstehen!
Nicht einmal Blinden gelingt dieser Kniff.
Ob Hieroglyphen oder Softwarecode,
Schriftzeichen wecken Assoziationen.
Schrift zeichnet.
Abenteuer aus hundert und einer Milliarde
Nervenzellen,
Schwarz auf Weiß oder bit in byte.
Der Code sickert in das schwarze Loch.
Dem Mikroprozessor ist alles Eins und Null.
Das Wort ist Bild geworden und die Geschichte
Wirklichkeit.
Das Flüssigkristall zeiht konzentrische Kreise
Und haucht seinen GEIST aus.
Die Orchidee lässt ihren Kelch an mir vorübergehen.
zeitlos
jetzt
(habe ich
ein zeitlos
gezogen
in der lotterie des augenblicks
hauptpreis
ein hauch von ewigkeit
das beste daran
jedes los gewinnt
ein leben lang)
bin ich unsterblich
traumlandschaft
sekundenlange
lange
zeiten
voller bäche
bist du
land
voller wasser
so möchte ich
einen anker werfen
trinken
baden
bleiben
Aus dem Buch:
Lyrik und Kurzprosa
© edition lex liszt 12, 2012